31.03.2015 | 70 Jahre Kriegsende | ||||||||||||||
Kriegsende im Mai 1945. Befreiung und Umkehr.
(zusammengestellt von GR Mag. Rupert Huber)Oberösterreich und somit auch Gallneukirchen wurde in den ersten Maitagen 1945 von der Nazi-Diktatur befreit, erst einige Tage nach dem Tod Adolf Hitlers und vor der bedingungslosen Kapitulation des Großdeutschen Reiches. Beschreiben will ich, wie die Menschen hier in diesen Wochen leben mussten, warum die Niederlage der Deutschen Kampfverbände Befreiung und Umkehr brachte, und auch was die Befreier, Soldaten der US-Armee im Kampf hier erleiden mussten. Schon im Jänner 1945 kämpften das Militär der West-Alliierten und die Sowjet-Armee im Großdeutschen Reich für die bedingungslose Kapitulation. „Lieber ein Ende mit Schrecken als weiterhin Schrecken ohne Ende“ war die Sehnsucht der meisten Menschen. Aber diese Gesinnung auszusprechen war Verrat am befohlenen Endsieg, war lebensbedrohend. Das System des Nationalsozialismus war auch in OÖ eine bodenständige Kraft[1] und terrorisierte bis zum schrecklichen Ende. 22.Februar 1944 - erster Fliegeralarm in GallneukirchenDie US-Luftwaffe zerstörte mit Flächenbombardierungen schon ab Februar 1944 die Waffenproduktionen in OÖ, in Linz, Steyr und St. Valentin. Zur Gegenwehr wurden im Großraum um Linz, auch um Gallneukirchen Flak-Batterien[2] eingesetzt. Bombenfehlwürfe, aber auch Luftangriffe auf die Flakbatterien setzten Menschen in Angst, zerstörten Häuser, Fluren, töteten Menschen.Den ersten Fliegeralarm in Gallneukirchen gab es am 22. Februar 1944.[3] Am 4. November 1944 traf eine Bombe ein Haus in der Gaisbacher Straße neben der Penzenleitner-Brücke. Eine Bewohnerin wurde dabei getötet. Am 12.November 1944 wurde der Volkssturm Gallneukirchen vereidigt. Zum Volkssturm[4] mussten alle Männer bis zum Alter 65 Jahren, auch schon die 14-jährige Buben. Sie wurden ausgebildet zum Kampf gegen Panzer, auch mit Flak-Kanonen, sie mussten Panzersperren und Schützengruben errichten und wurden indoktriniert. Gauleiter Eigruber befahl Kampf bis zum Endsieg. „Auch wenn der Feind bis Treffling siegt, in Gallneukirchen schaffen wir den Endsieg“ hatten die Kindersoldaten in den letzten Kriegstagen zu brüllen. April wälzte sich ein Flüchtlingsstrom durch die Straßen des Mühlviertels - Wochen des Chaos und Elends. Pfarrer Silberhumer beherbergte an manchen Tagen bis zu 80 Menschen im Pfarrhof. Der Kriegshorror im westlichen Mühlviertel begann am 30. April 1945. An diesem Tag hatte sich Hitler umgebracht und in Wien war bereits die Österreichische Bunderegierung und Radio Rot-Weiß-Rot sendete. In Oberdonau wird gestandenTruppen der 11. US Panzerdivision überschritten bei Oberkappel und Kollerschlag die Grenze des Mühlviertels mit dem Auftrag, bis zur Enns-Linie vorzustoßen und dort auf die Rote Armee zu treffen. Gauleiter Eigruber hatte befohlen: „In Oberdonau wird gestanden!“ und „jetzt, wo wir dem Endsieg so nahe sind, macht niemand schlapp![5] SS-Einheiten kontrollierten die Befehle brutal. Sie haben in nicht wenigen Orten[6] Menschen, die dagegen aufgestanden sind, exekutiert.Um den bayrischen Grenzort Wegscheid wurde am 30. April einen Tag lang verlustreich gekämpft. Am Ende dieses Horrortages waren ein niedergebrannter Ort und viele Tote zu beklagen, 32 Deutsche Soldaten, 5 Zivilisten und eine unbekannte Zahl von US-Soldaten. Schrecklich sind die Orts-Chronik-Berichte zum Vordringen der US-Truppen bis nach Gallneukirchen am 4. Mai und nach Linz und Mauthausen am 5. Mai. Die US-Kampftruppen erwartete fast überall[7] enorme Abwehr. Überall Panzersperren, bereits schon gesprengte oder zur Sprengung vorbereitete Brücken, Schützengruben mit Flak-Waffen in der Landschaft. In sehr vielen örtlichen Gemeindezentren konnte erst in höchster Not, gerade noch vor einem Kampf Haus um Haus, erst nachdem die Panzersperren und Schützengruben mit Granaten weggeschossen worden sind, mit der weißen Fahne kapituliert werden. In den umkämpften Orten sind Höfe und Häuser abgebrannt, sind Soldaten, auch Kindersoldaten (!) und Zivilisten umgekommen, besonders dramatisch 15 in Zwettl. Oft waren Brücken schon gesprengt, Umwege mussten gefunden werden und unter Feuerschutz mussten Behelfsbrücken angelegt werden. Tödliche Schüsse aus Verstecken der HJ-SoldatenDie Chroniken[8] enthalten keine Aufzeichnungen über die Verluste der US-Kampfgruppen. Aber es wird berichtet, dass die US-Truppen den Gesinnungsterror beendet haben. Berichtet wird auch, dass sich einige Wehrmachtsgruppen kampflos in Gefangenschaft überantwortet haben und andere sich kampflos zurückgezogen haben.[9] General Holbrook[10] hat berichtet, dass es schwierig war, seine Soldaten zu soldatischem Kampf zu motivieren.Der US-Soldat Thomas C. Nicolla[11] berichtet vom Vordringen seiner Einheit durch Deutschland bis zum KZ Mauthausen. Erschüttert haben ihn besonders die Mord-Taten der SS an sowjetischen Kriegsgefangenen[12] und im Mühlviertel die hinterhältig tödliche Schüsse auf seine Kameraden von HJ-Soldaten aus Verstecken. In Sarleinsbach ist seine Gruppe der Befreier kampflos eingezogen. Der Leutnant ging zum Brunnen um Wasser zu trinken, wobei er aus einem Fenster erschossen wurde. Der Täter war ein 10-jähriger HJ-Pimpf. Nach verlustreichen Kämpfen rückte die US-Truppe von Altenberg kommend am 4. Mai um ca. 16 Uhr gegen Gallneukirchen vor. Gottfried Fitzinger[13] berichtet im Heimatbuch, warum letztendlich Gallneukirchen ein schrecklicher Kampf um den „Endsieg“ erspart blieb. Gallneukirchen hat es Oberleutnant Anton Haider zu danken, dass hier nicht mehr gekämpft werden musste. Am Vortag, am 3. Mai musste er mit einer mit einer Wehrmachts-Kompanie von kaum mehr einsatzfähigen Soldaten in Gallneukirchen einrücken. Oberleutnant Anton Haider ist es gelungen, den Volkssturm zu entwaffnen, die Kindersoldaten nachhause zu schicken. Die Geschütze waren an diesem Schicksalstag 4. Mai nicht mehr besetzt, die Panzersperren beseitigt. Eine SS-Kontrolle kam in den Markt und drohten mit Terror, wenn nicht sofort die Sperren und Stellungen wieder eingenommen werden. Diesen Befehl hat er nicht ausgeführt. Flugzettel mit der Aufforderung zur KapitulationAn diesem Tag erkundeten die US-Befreier mit einem Tieflieger das Gelände, warfen Flugzettel mit Aufforderungen zu Kapitulation ab und schossen auf Stellungen, die aber nicht mehr besetzt waren. Dabei sind Gehöfte in Brand geschossen worden. Drei Menschen wurden getötet. Auch die Soldaten an den Geschützen in Treffling hatten mit mutiger Unterstützung ihre Stellung schon verlassen. Beim Einzug der US-Befreier hat Oberleutnant Haider mit seinen Soldaten kapituliert, er und seine Soldaten wurden am nächsten Tag in die Kriegsgefangenschaft geführt.Befreiung der Konzentrationslager Gusen und MauthausenDie US-Panzerdivision – Kampfkommando cc-B, -C und -D lagerte dann in Gallneukirchen. Am 5. Mai sollten die Platoons[14] C und D dieser Einheit nach Mauthausen vorstoßen. Soldat Nicolla kam mit seinen Kameraden nach St. Georgen und dann zum KZ-Lager Gusen III. In seiner niedergeschrieben Erinnerung spürt man seinen Schock, sein Entsetzten. Die Konzentrationslager Gusen und Mauthausen wurden vom Gallneukirchen aus befreit.Nach der bedingungslosen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht, gültig ab 8. Mai, strömten viele tausend Soldaten von der Ostfront über die Demarkationsgrenze nach Westen. Soldaten der o. a. US-Division hatten sie in Gallneukirchen als Kriegsgefangen zu bewachen. Unsere Heimatbücher berichten über die harte Gefangenschaft und über deren Überstellung an die Sowjetarmee, bei der einige US-Soldaten gegen das Kriegsrecht auf flüchtende Soldaten geschossen haben. Warum dann noch so ein Kriegsende?Drüber konnte ich mit Frau Anna Rosmus 2013 sprechen. Anna Rosmus, Historikerin[15], gebürtig aus Passau ist integriert im Verband der Veteranen der 11. US-Panzerdivision. Frau Rosmus war mit Veteranen auch in Gallneukirchen. Sie machte positive Komplimente für unser Mahnmal für den Frieden. Gefragt zur grausamen Übergabe der Deutschen Soldaten bat sie um Verständnis. Die US-Soldaten waren abgekämpft und verbittert. Sie erlebten sich hilflos in Anbetracht des Elends der Konzentrationslager.Und zuletzt dann das unerwartet so große Gefangenenlager auf der Wiese, ohnmächtig auch hier Sanität und Versorgung zu bewältigen. Die US-Generale und nicht die Sowjets verlangten die Überführung zurück an die Ostfront. Frau Rosmus hat empfohlen, in der National Library in Washington die Dokumente der Division zu studieren. Hier sind alle Militär-Berichte nun einsehbar, alle Archivsperren sind aufgehoben. Die bedingungslose Niederlage 1945 war Befreiung und Umkehr. Heinz Lischke[16] war als 17-jähriger SS-Soldat in diesem Gallneukirchner Wiesenlager. Unter dem Pseudonym Henryk Silesius schildert er, dass barmherzige Zuwendungen durch Diakonissinnen ihm den Impuls zur Umkehr vom jahrelang verhetzten Hitlerjungen zum bekennenden Christen in der sowjetischen Gefangenschaft gegeben haben. Alle Fotos aus dem Archiv von Dr. Wilhelm Mayrhofer - Herzlicher Dank! |
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[1]vgl.: Kepplinger, Brigitte. Aspekte nationalsozialistischer Herrschaft in Oberösterreich. In: Emmerich Talos u.a. NS-Herrschaft in Österreich 1938-!945. Wien 1988. [2] Eine Flakbatterie ist eine Militär-Truppe mit dem Kampfziel mit Geschützen Flugzeuge und Panzer abzuschießen. Flak heißt Fliegerabwehrkanone. [3] Vgl.: G. Fitzinger. Von der ersten Republik bis zum Ende des 2. Weltkrieges. In: Gallneukirchen. Ein Heimatbuch…. Freistadt 1982 [4] Volkssturm: eine Militäreinheit aus Männern, die nicht zum Kriegsdienst eingezogen waren. [5] Vgl. Fritz Winkler. Kriegsende und Besatzungszeit in den Bezirken Rohrbach und Urfahr-Umgebung. 2001 Grünbach. [6] In den Tagen, als schon die Stärke der anrückenden US-Armee erkannt war, haben beherzte Männer in ihren frontnahen Grenzorten die Panzersperren abgebaut. Gauleiter Eigruber wütete darüber. Nur die beherzten Peilsteiner Männer wurden verraten. Sie wurden am 28. 4. In Treffling exekutiert. [7] In Rohrbach glückte rechtzeitig die Kapitulation. [8] In einigen Gemeinden wird erzählt, aber nicht mit Namen niedergeschrieben, dass die Kindersoldaten aus Verstecken auf „die Amis“ geschossen haben. [9] Jene, die sich in Kriegsgefangenschaft absetzten, sind relativ bald aus Gefangenenlagern entlassen worden. Aber viele der Soldaten, die sich in Verstecke absetzten, wurden von der SS verhaftet und noch am 2. Mai in Langenstein erschossen. Bericht im Archiv des Mauthausenkomitee St. Georgen. [10] Brigadier General Holbrook, 11. US-Panzerdivision leitete den Kampf im Mühlviertel. [11] Aus den Erinnerungen des emaligen US-Soldaten Thomas S. Nicolla. Übersetzte Niederschrift im Archiv des Mauthausenkomitee St. Georgen, verfasst 2005. [12] Darüber berichtet auch: Anna Rosmus. Wintergrün. Verdrängte Morde. Konstanz 1993 [13] G. Fitzinger. A. a. O S 250 ff [14] Ein Platoon ist eine Kampftruppe von ca. 20 Mann [15] Anna Rosmus. Valhalla Finale. Das Ende des II Weltkrieges – Von der Normandie nach Linz und Prag. [16] Die Umkehr: Ein Gefangenschaftsbericht 1945-1950 Taschenbuch. 2004. Books on Demand. |
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